Montag, 22. September 2014

Alois ist erleuchtet - Das erste Kapitel des knallharten Einblicks in die Chiemgauer Literaturszene

Ein Mann hat seinen ersten Roman veröffentlicht. Der Mann will berühmt werden. Er will einen Verlag, er will Anerkennung. Der Mann heißt Bernhard Straßer und hat keine Ahnung, wie der Literaturbetrieb funktioniert. 

Ein Bericht über einen Bescheuerten, ein komisches aber witziges Spiel mit der Wirklichkeit. Sogar unglaublicher als die Wirklichkeit. 

- Auszug Kapitel 1 - 

Ursula Krechel hat nie auf meine Email geantwortet. Sie hatte gerade den Deutschen Buchpreis gewonnen und ich war wohl nicht der einzige, der ihr seine herzlichsten Glückwünsche entbot. 
Schade, ich hatte ihr mitgeteilt, dass ich meinen Roman demnächst veröffentlichen werde. Natürlich lag mir der Scherz auf der Zunge, wie super es doch sei, dass sie als Titelverteidigerin dann nächstes Jahr die Laudatio auf mich halten müsse. Nach langem für und wider abwägen, hab ich ihn hingeschrieben und zur Sicherheit noch mehrere Smileys dahinter gemacht. Nicht, dass sie mich sonst für einen totalen Trottel oder so hält. Erst als ich die Mail schon abgeschickt hatte, ist mir dann eingefallen, dass Frau Krechel ja zur älteren Generation gehört und wohl keinen blassen Schimmer  hat, was ein Smiley ist und stattdessen denkt, dass ich ein triftiges Problem mit Orthographie habe. Das habe ich ihr noch in einer ergänzenden Mail geschrieben und ihr erklärt, dass der Doppelpunkt und die schließende Klammer, wenn man sie 90 Grad mit dem Uhrzeigersinn dreht, ein lächelndes Gesicht darstellen sollen. Die Mail habe ich dann blöderweise, grins grins, mit ; ) beendet, sodass ich mich gezwungen sah, ihr noch eine dritte Mail zukommen zu lassen. Seitdem warte ich auf Antwort. Es kann doch keine zwei Jahre dauern, alle Gratulationsmails abzuarbeiten, oder?
Kennengelernt habe ich sie übrigens auf einem Schreibkurs in Schrobenhausen. Ich hab eine Kurzgeschichte darüber geschrieben, wie ich mich eine Woche lang so besaufe, dass ich meine eigene Freundin nicht mehr wiedererkenne und eine andere poppe. Das hat ihr sehr gut gefallen. Der Krechel, meine ich. 
Da mir keiner schreibt, maile ich Norbert Niemann. Das ist neben der Krechel der einzige Schriftsteller den ich kenne, der nicht dafür bezahlen muss, seine Bücher gedruckt zu bekommen. Und er wohnt im Nachbardorf. Ich schreibe ihm ungefähr einmal im Monat, wann wir denn ein Bier trinken gehen. Das hat er mir mal vor Jahren, als ich bei ihm im Kurs war, hoch und heilig versprochen, nachdem ich ihn ein paar Mal gefragt habe, ob das nicht super wäre. Allerdings ist er sehr beschäftigt und es hat bisher nicht geklappt. Zuletzt war er in Russland und hatte Stress mit seinem Verlag. Ich glaube, der kann mit dem Jo Lendle nicht. Ich schon, wir sind auf Facebook befreundet und ich like fast alles, was er postet. Echt ein witziger Kerl. Finde ich super, dass einer wie er mal die greisen intellektuellen Brillenschlangen so richtig aufmischt. 
Ich habe Norbert Niemann angeboten, dass wir unsere Romane gegenseitig querlesen und uns Tipps geben, aber er hat schon einen Austausch mit einem Arno Geiger. Ich glaube aber, einen Schriftsteller mit einem so seltsamen Namen gibt es gar nicht und den hat er nur erfunden, weil er mir durch die Blume sagen wollte, dass er schon einen Lektor hat. Und selbst wenn, ich glaub nicht, dass dieser Arsch Geiger, wenn es ihn denn gäbe, nur halb so cool schreibt wie ich und ich stelle es mir unheimlich langweilig vor, die dröge Pampe Korrekturlesen zu müssen. Aber das ist halt seine Sache. Der liest ja auch Grass und so und wenn er mich fragen würde, der Norbert, dann würde ich ihm schon sagen, dass der Jo Lendle Recht hat und statt sich vom Grass beeinflussen zu lassen, soll er doch mal an die jungen und weiblichen Leser denken. Die wollen was lustiges, was unterhaltsames lesen!
Überhaupt, von diesen „Literaten“ ist kein einziger in Facebook. Nur der Glavinic. Der ist zwar Österreicher und wird deshalb nie den Deutschen Buchpreis kriegen, aber der schreibt wenigstens anständig. Dass der sein Tagebuch veröffentlicht und wie schonungslos der mit sich selbst ins Gericht geht, das ist schon sensationell. Mein Lieblingsbuch von ihm ist aber "Vor dem Fest". Das ist zwar verspult, aber witzig geschrieben. 
Ich habe mal nach Schriftsteller gegoogelt, die noch nicht so bekannt sind, aber bereits Preise bekommen haben und diese angeschrieben, ob sie sich mit einem jungen Literaturtalent wie mir treffen wollen und Tipps geben möchten. Aber weder Hertha Müller, noch der Bachmann oder der Herrndorf haben geantwortet. 
Dafür bin ich in regem Kontakt mit dem Inneberger, der hat Literaturpreise in Salzburg und München gewonnen. Außerdem ist das ist der einzige Autor in der Gegend, der auch in den USA veröffentlicht wird.  
Ich warte seit Jahren auf seinen großen Roman, an dem er seit damals schreibt, als wir uns kennengelernt haben. Das dauert wohl noch. Muss ja auch gut werden. Es rotzt ja nicht jeder sein Zeug so raus wie ich mit meinen Kleinstadtrebellen. 
Hatte neulich eine Lesung auf einem Hippiefest. Lauter Kinder und drei Erwachsene. Den Kindern hat's gefallen, obwohl ich das Kapitel mit dem stinkenden Sack vorgelesen hab. Oder gerade deswegen. Die haben sich gekugelt. Die Erwachsenen haben recht streng geschaut. So wie damals die Proseccoleute auf der Vernissage vom Kunstverein Schrobenhausen. Vielleicht haben sie auch sehr konzentriert zugehört. Oder ich hätt das Kapitel, wo Peter im Klo der Disco kotzt, nicht so theatralisch vorlesen sollen. Da hab ich wohl zu dick aufgetragen. Eventuell war auch das Mikro zu laut aufgedreht. Ich spucke ja des Öfteren, wenn ich zu begeistert vortrage, und der Herr im Anzug saß schon sehr nah dran. 
Aber zurück zum Hippiefest. Verkauft habe ich zwar nichts, Gage gab‘s sowieso keine, das Prinzip dieser Leute habe ich aber schnell begriffen und denen ein paar Bücher geschenkt. Dafür habe ich mich irgendwie glücklich, wie von Ballast befreit gefühlt, als ich wieder weg war und so ein Gefühl ist mit Geld nicht aufzuwiegen.
Wie bin ich jetzt eigentlich drauf gekommen? Ach so, wegen dem Buchpreis. Apropos Buchpreis: Also mein Buchpreis ist 10 EUR.
Lol! Diesen Scherz konnte ich mir beim besten Willen nicht verkneifen ; )

-Ende Teil 1-

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