Freitag, 30. Oktober 2015

Der Kampf um die Literatur

Kunst ist immer relativ, aber gute Literatur schwindet aus den Buchregalen
Der Kampf um das gute Buch wird der größte unserer Generation werden. Die kleinen Buchläden sterben aus, die verbleibenden ähneln sich in ihrem Buchsortiment wie ein Klon dem anderen. Es müsste längst einen Aufschrei der Bibliophilen geben. Aber stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin. So verhält es sich beim Thema Buch, Literatur und Lesen in den Feuilletons unserer Zeit. Zwei Phänomene existieren nebeneinander, die sich gegenseitig zur Nichtigkeit auflösen: Einerseits liest die Jugend so viel wie noch nie. Andererseits verschwindet die Literatur im klassischen Sinne aus den Buchläden. Wie ist dieses Paradox zu erklären? Ganz einfach und plakativ ausgedrückt: Es wird nicht nur so viel gelesen, wie noch nie, es wird auch so viel Müll gelesen wie noch nie. Eine neue Generation in Handys blickender junger Menschen bevölkert unseren Planeten. Die meisten von ihnen, das sollte eigentlich Mut machen, lesen auf dem Handy Texte. Die Kehrseite daran: Jedem ist klar, dass die Handygucker nicht unbedingt Kafka oder Hölderlin lesen, sondern sich über den Whatsapp- und Facebook-Gossip auf dem Laufenden halten. Viele Nachrichten enthalten dann nicht einmal mehr Buchstaben, sondern es scheint möglich, ganze Kommunikationsstränge nur mit Emoticons am Laufen zu halten.
Aber zurück zum Lesen und zu den Büchern. Die Generation Handy liest auch Bücher. Der Leser ist weiterhin ein Marktfaktor, mit dem Geld umzusetzen ist. Aber - und das haben die Verlage natürlich erkannt - verkauft sich in erster Linie, was spannend ist, was träumen lässt, was leicht zu konsumieren ist. Mit schwer verdaulicher belletristischer Literatur ist nun mal kein Umsatz zu machen, das hat schon ein Jo Lendle erkannt. 
Aber was bedeutet es, wenn die "richtige" Literatur aus den Buchläden verschwindet, wenn das Gros der Leser sich nicht anstrengen möchte und ein Buch, das beim Lesen weh tut, wenn überhaupt, dann als Pflichtlektüre in der Schule angeblättert wird? Wächst hier nicht nur eine Generation Handyglotzer, sondern auch eine Generation "ich will nicht nachdenken müssen" heran? War es womöglich schon immer so, dass junge Leser einen Schmöker, an dem der Leser eben nicht wie ein Kleinkind an der Hand des Autors durch den Roman geführt wird, als unlesbar in die Ecke pfeffern? Konnte man früher den 08/15 Leser schon provozieren, indem die Kapitel so lang sind, dass es nicht möglich ist, noch schnell ein Kapitel fertig zu lesen und dann das Licht aus zu machen?
Und was sagt es über unser Feuilleton aus, wenn (die von mir selbst hoch geschätzten) Wolfgang Herrndorf, Thomas Glavinic und Karl Ove Knausgard, allesamt relativ leicht zu lesen, als Hochliteratur gelten? 

Die Fragen könnten beantwortet werden, wenn der Kampf der Leser um das gute Buch beginnt. Aber da es dem Leser Wurst ist, solange das Buch nicht anstrengend ist und weil man Bücher, die weh tun, leicht beiseite legen kann, wird es diesen Kampf nicht geben. 

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