Freitag, 5. August 2016

Projekt Armut

Dispo, Dispo Partizani

Im zweiten Monat lebe ich nun bereits in absoluter Armut. Nein, Ihr braucht euch keine Sorgen um mich machen. Ich bin nicht in der Gosse gelandet oder so. Aber meine Frau hat mir die EC Karte abgenommen - erzieherische Maßnahme und so - ihr kennt das. Und seitdem ist es mir nicht nur einmal passiert, dass ich in der Stadt stand und nicht einmal genug Geld hatte, meinem enttäuschten Sohn eine Kugel Eis zu kaufen.
Es ist nur ein Experiment, aber eines mit ganz realen Konsequenzen. Beim Aldi muss ich die Preise der Waren wieder im Kopf überschlagen, vor dem Tanken muss der Geldbeutel geprüft werden, ob genug Bargeld da ist und einfach schnell wo Essen gehen ist auch nicht mehr drin. 
Hier liegt nun die Krux des Experimentes: Mir steht nur ein minimales Budget Bargeld zur Verfügung mit dem ich mein "Privatvergnügen", also Bücher, Restaurant, Hagebaumarkt zu finanzieren habe. 
Eine Weile hatte ich dennoch genügend Bargeld in der Tasche, weil ich jede Menge Bücher gegen Bargeld verkaufte... und das Geld sofort verjubelte. (Vielleicht ist dies der Grund, warum ich EC-Karten-Verbot erhalten habe)
Als der Bücherverkauf stagnierte überlegte ich, vorm Kaufland Leute anzuquatschen und sie anzuflehen, mir mein Buch abzukaufen, damit ich genügend Geld hätte, meinen Kindern essen zu kaufen. Armer Poet und so. Ich plante, darüber ein Blog zu schreiben und plötzlich berühmt zu werden, weil alle so viel Mitleid mit dem armen Irren vorm Kaufland haben würden, dass RTL und Fokus über mich berichteten. Aber das war mir dann doch zu doof.
Seitdem horte ich Pfandflaschen. Und wenn ich mir etwas gönnen will, bringe ich den Berg Plastikflaschen zum Aldi. Letztens konnte ich eine Kleinigkeit beim Chinesen damit finanzieren und es hat selten so gut geschmeckt.
Denn dies ist ein Nebeneffekt des Projektes: Geld hat wieder einen Wert bekommen. Wenn man kurz davor ist, in den Stadtbrunnen zu springen und die Münzen heraus zu fischen, um dem Kind ein Eis zu kaufen, weiß man, wie unerreichbar ein Euro sein kann. Natürlich, ich hätte ja Passanten anschnorren können. Aber mal ehrlich: Wer macht denn sowas? Dann schon lieber anflehen, sie sollen mein Buch kaufen.
"Selbstversorgergarten" heute
Schon vor zwei Jahren habe ich mich intensiv mit dem Thema Kapitalismus auseinandergesetzt, Thoreaus Walden gelesen und versucht, mich mit einem Balkongarten als Selbstversorger durchzuschlagen. Heute habe ich einen etwas größeren Garten (vielleicht ist ja dies der Grund, warum ich kein Budget mehr habe?) und bin um die Erfahrung reicher, dass Selbstversorgung utopisch ist, wenn man keine hundert Hektar Land besitzt. Und solange das Päckchen Rucola 99 Cent kostet und die gleiche Menge Rucola zum Einpflanzen beim Gartencenter 3,99 EUR, ahnt man die Milchmädchenrechnung.
Noch ein netter Nebeneffekt des Projekt Armuts: Man wertschätzt die günstigen Unterhaltungsmöglichkeiten: Bergsteigen. Radfahren. Sonnenuntergang am Balkon. Und solange ich mehr gute Bücher im Regal stehen habe als manche Dorfbücherei, kann ich mich an so manchen alten Klassiker erfreuen, der ansonsten ungelesen im Regal verstaubt wäre.

Wer den armen Schriftsteller dennoch unterstützen möchte, kauft unbedingt sein Buch:

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