Dienstag, 19. April 2016

Alle meine Preisträger

Wie ich durch Zufall einigen ausgezeichneten Schriftstellern über den Weg gestolpert bin



Geht jetzt das gnadenlose Namedropping schon wieder los? Natürlich! Auch in diesem
Damals noch auf myspace!
Artikel werde ich mich wieder aufplustern wie ein Rohrspatz, denn Klöppeln gehört zum Handwerk. Und mit 26 hatte ich davon immer noch keinen blanken Schimmer. Schlimmer: Ich war einer jener bescheidenen Autoren die bemüht waren, tolle Geschichten zu schreiben, auch mutig genug, sie zu veröffentlichen, aber zu scheu, sie anzupreisen, zu unsicher, ob die Schreibe schon was taugt. Nichts wünschte ich mir mehr, als einen „echten“ Schriftsteller kennenzulernen. Einen Mentor, der mich bei der Hand nahm, allen erzählte: Dieser junge Mann ist gut! Fördert ihn! Druckt ihn! Aber nix.
Ursula Krechel in Schrobenhausen
Nichts schien schwerer, als in einen Literaturkreis aufgenommen zu werden. Tatsächlich war ich allerdings blind. Armin Konnert, wir waren immerhin in dieselbe Schule gegangen und hatten gemeinsame Freunde, gewann wie aus dem Nichts den FM4 Wortlaut WettbewerbUnd statt ihm überschwänglich zu gratulieren und ein Netzwerk aufzubauen, war ich beleidigt, dass mir niemand erzählt hatte, dass er schreibt. Schließlich war doch ich der einzige Schriftsteller weit und breit. Stefan Dettl und Florian Kreier, ebenfalls nie weit weg von mir, hatte ich ebenso wenig als Schreiber bzw. Songwriter auf dem Schirm. Erst Jahre später war es ein Zufall, (Autoren brauchen manchmal Zufälleder mich in einen Haufen gestandener Schriftsteller stolpern ließ. In Schrobenhausen, wo ich seit Jahren regelmäßig flanierte, wurde eine Literaturwerkstatt angeboten. Ursula Krechel, meine Dozentin, gewann einige Jahre später den Deutschen Buchpreis. Dort lernte ich einen weiteren Autor kennen, der sogar im Nachbardorf am Chiemsee lebte: Norbert Niemann hatte den Ingeborg-Bachmann-Preis und einige andere Auszeichnungen gewonnen und steckte mich mit seiner Leidenschaft für die große Literatur an. Am meisten gefiel mir aber, dass er auch nach einigen Bier noch
Matthias Tonon beim Text & Ton
wundervoll hochtrabend diskutieren konnte und irgendwie seinen inneren Jugendrebell nie verloren hatte. Dann ging alles ganz schnell. In Traunstein trafen sich die Chiemgau-Autoren und ein junger Herr namens Matthias Tonon, der gerade die Puls
-Lesereihe gewonnen hatte, tauchte unverhofft auf. Ein junger talentierter Autor aus Traunstein. Danach hatte ich über zehn gesucht. Erst dieses Jahr war schließlich Matthias‘ Lesereihen Gewinner-Nachfolger, der Regensburger Jung-Autor Fabian Bader (Hier sein Blogin Traunstein zu Gast. Er spendierte mir einen Schnaps und seine Gin-inspirierte, quasi ginspirierte Popliteratur erinnerte mich daran, was eigentlich ich mit Mitte zwanzig einmal machen wollte. Damals fehlte mir das Netzwerk. Und heute? Heute fehlt mir die Jugend. Oder?

Sonntag, 17. April 2016

Der Thomas Glavinic Komplex

Annäherung an ein gigantisches Projekt

Der Jonas Komplex. Als die ersten Informationen zu Thomas Glavinic' neuen Roman durchsickerten, wuchs das Erstaunen und die Hoffnung, dass der ohnehin nicht als zimperlich geltende österreichische Literat ein an Größenwahn grenzendes, irrsinnig mutiges Großwerk vorlegen würde: Eine konsequente Weiterentwicklung seiner bisherigen literarischen Arbeit. Und, um es auf die Spitze zu treiben, eine Vermengung der Themen aus "Das größere Wunder", "Das bin ja ich" und noch etwas Drittem, Neuem.


Und was soll man sagen, er hat es tatsächlich durchgezogen. Der Jonas Konplex handelt nicht nur vom inzwischen wohlbekannten Jonas, der sich nach drei Jonas-Romanen letztendlich als der stabile Charakter aus dem „Größeren Wunder“ herausgeschält hat. Auch der borderlinende, ungemein unterhaltsame, aber auch ständig vor dem Absturz stehende Wiener Autor Thomas Glavinic ist mit dabei. Neu ist, als dritte Nebenhandlung, ein dreizehnjähriger Schachspieler aus der Steiermark, der mit Pubertät und prekärer Lebenssituation kämpft.

Thomas Glavinic in Leipzig
Natürlich hängt alles zusammen und der echte Autor Glavinic zelebriert die endgültige Vermengung von Literatur und Wirklichkeit.

Dies allein wäre schon ein mutiges Jahrhundertprojekt, berücksichtigt man die schonungslose Wucht, mit der das Buch geschrieben ist.

Glavinic aber geht die Geschichte noch komplexer an: Er inszeniert inzwischen auch auf seinen Lesungen den Thomas Glavinic aus dem Buch - von dem er stets betont, dass er es eben nicht ist: Da wird mit sichtlichem Vergnügen Weißwein gesoffen, ein wenig mit der Nase geschnupft und manche Lesung endet mit dem Hinweis "Ich muss jetzt aufs Klo". Herrlich! Manchmal sitzen sogar die Hells Angels im Publikum und die Provokation der Literaturwelt ist perfekt!
Was will uns Thomas Glavinic sagen, wenn er auch sein Buch mit einem "Thomas Glavinic, Thomas Glavinic" doppelt signiert? Dass es endgültig zwei Figuren gibt? Den echten und den Romanhelden? Es wirkt fast wie die spätere Verwandlung des Hans Hölzl in Falco mit dem Unterschied, dass sich Glavinic erst gar nicht bemüht hat, einen Künstlernamen zu ersinnen.

Könnte auch Homer plavinic, Homer plavinic heißen...
Der Thomas Glavinic, der derzeit seinen Roman präsentiert, ist ein Hemingway, ein Bukowski, ein Schriftsteller-Rockstar wie es derzeit keinen zweiten mehr gibt. Ganze Heerscharen von Kritiker versuchen ihn gerade zu entzaubern. Aber längst wurde etwas entfesselt, eine schwarze Magie, die auch sie nicht mehr stoppen können. Der Jonas Komplex ist nicht so stabil und sauber geschrieben wie die Bücher seines Kumpels Daniel Kehlmann. Aber sie bewegen. Der ganze Körper, das Rückenmark reagiert auf seine Literatur. Und letztendlich ist genau dies die große Kunst.

Mehr über Thomas Glavinic:


Dienstag, 12. April 2016

Wie alles begann

Oder: Ab wann ist man ein Schriftsteller?

Ist man Schriftsteller, wenn man auf der Bühne steht...?
Viele Autorenkollegen beginnen ihren Werdegang mit „Schon in der Grundschule schrieb ich meine erste Geschichte...“ Natürlich. Aber kann man den Erlebnisaufsatz aus der dritten Klasse schon als literarisches Werk einstufen?
Ab wann ist man eigentlich ein Schriftsteller? Ab den ersten Schreibversuchen? Dem Abschluss des ersten Buches? Oder erst dann, wenn man verlegt wird? 
Ist man etwa bereits ein Schriftsteller, wenn man es „in sich hat“? Oder Literatur studiert? John Irving hat mit seinem Garp
...oder auf der Titelseite...?
beispielsweise eine Figur ersonnen, die sich früh als Schriftsteller bezeichnete, ohne auch nur eine Zeile geschrieben zu haben
Und mit diesem ersten Roman, der meine gesamte damalige Welt auf den Kopf stellte, nannte ich mich auch Schriftsteller. Da war ich zwanzig. Ist irgendein Text, der damals in meinem Kopf herumspukte heute veröffentlichungswürdig? Um Gottes Willen!
Der junge Mann, den ich heute als Schriftsteller bezeichnen würde, der wurde ich erst zehn Jahre später. Und vielleicht wird mein heutiges Ich erst in zehn Jahren jemand sein, den man mit Fug und Recht als Schriftsteller bezeichnen kann. Oder vielleicht auch nie.
...oder mit coolen Kollegen auf dem
Plakat?
Das Gefühl, Schriftsteller zu sein. Wie Alles begann: 2009 stand ich ein erstes Mal auf einer Bühne. Im Publikum die 150 Autoren und Gäste der Schrobenhausener Literaturwerkstatt. Darunter Norbert Niemann und meine Dozentin Ursula Krechel. Sie hatte aus mir innerhalb weniger Tage die Erzählung "Paartanz" herausgekitzelt, die ich noch heute als einen starken Text gelten lasse. Im illuminierten Park des Schrobenhausener Pflegschlosses las ich in dieser Augustnacht ein erstes Mal öffentlich einen Prosatext. Ich stolperte danach betrunken durch die Stadt, anstatt mit den preisgekrönten Autoren zu fachsimpeln, aber verdammt, es fühlte sich nach Schriftsteller an!
Ein Jahr später stellte ich mich für das alternative Kunstfestival "Jung und Willig" auf die Bühne, diesmal mit Lyrik und in der Festung Traunstein. Ein Experiment. Einige Skinheads skandierten „Aufhören!“ Ich war stolz. Aber wieder weit weg davon, ein Schriftsteller zu sein. 
Eine zweite Teilnahme in Schrobenhausen brachte mich ebenso wenig weiter wie das „Lesen Lassen“ im Literaturhaus Salzburg. Ich wurde Zweiter, aber es fühlt sich nicht nach Schriftsteller an. 
Im Seniorenheim Aschau
Ab Herbst 2011 organisierte Michael Inneberger für die Chiemgau Autoren Lesungen im Seniorenheim Aschau. Etwas begann zu brodeln. Ich war drei Mal dabei, verdiente ein erstes Mal richtig gutes Geld als Autor und das bunte Ambiente war ein idealer Ort, um Erfahrung als Vorleser zu sammeln. Ich probiere alles aus. Die Pfalzreise. Die Kurzgeschichten. Sogar die Kleinstadtrebellen. Es sind Zuhörer unter 90 Jahren dabei. Es gibt Diskussionen und Fragen an den Autor. Es gibt einen Scheck vom Veranstalter. Fühlt es sich so an, Schriftsteller zu sein?
Der erste große Auftritt in Traunstein
Auf einmal ging es ganz schnell: Christa Fuchs lud mich ein, im Studio 16 zu lesen. Im Publikum saß eine Germanistin die mir anbot, die Kleinstadtrebellen zu lektorieren. Innerhalb weniger Monate wurde der Roman druckreif. Im selben Jahr hielt ich mein erstes Buch in der Hand. Es folgten Lesungen quer durch den Landkreis. Der erste Auftritt bei den Kulturtagen. Die Rückkehr nach Schrobenhausen, dorthin wo alles begann.

Diese Woche werden die Kleinstadtrebellen ein erstes Mal von einer Schulklasse gelesen. Die Reise ist noch nicht vorbei. Fühlt es sich nun nach Schriftsteller an? Zugegeben, ein bisschen!

Mehr zu lesen gibt es auf www.bernhardstrasser.de
Noch mehr Fotos hier: Impressionen