Freitag, 28. Juli 2017

Chiemgauer Kultur - Tage zwischen Genie und Wahnsinn

Ronja von Rönne ganz unmontessorisch, Kegel kennt kein Kulturbudget und Chiemgau - Autoren keine Zeitvorgaben

Hannah Montana vs. Miley Cyrus

Die Chiemgauer Kulturtage 2017 und die beste Veranstaltung stand gar nicht im Programm: In der Theaterstrickerei Grabenstätt spielten Schüler der Montessorischule das Stück "Wie es uns gefällt", geschrieben von Ronja von Rönne und Michael Wolf. Und das Berliner Lit-It-Girl war auch noch persönlich da. Ob freiwillig, oder von ihrer Mama, der Schulleiterin, zwangsverpflichtet, ließ sich nicht eruieren. Jedenfalls las sie aus ihrem Buch "Heute ist leider schlecht" vor und teilte vergnügt gegen die Mama aus: Die hatte den Buchtitel falsch auf das Plakat drucken lassen. Auch die zweite Reihe bekam ihr Fett weg, als sich die Schüler/innen recht laut über über die von Rönne-Texte wegschmissen: "Jetzt aber Ruhe, sonst gibt's eins auf die Fresse...So ganz unmontessorisch", fügte sie grinsend hinzu und die antiautoritär erzogene Theateraudienz tobte. Vor Lachen. 
Sehr ernst ging es in der Theaterstrickerei zu

Nicht weniger wild ging es anschließend im Stück zu. Pippi Langstrumpf bekehrte die böse Hexe, Sherlock Holmes jagte den Räuber Hotzenplotz und zwei schizophrene Hanna Montanas verliebten sich in einen Vampir. Leidenschaftlich gespielt von den Montessorischülern, ein großer Spaß. Auch der Berliner Autor Tilman Rammstedt saß im Publikum, belagert von einem  Autorengroupie und einen Abend lang war Grabenstätt die Kulturhauptstadt des Chiemgau. Doch was für uns Landeier wie Ostern und Weihnachten zugleich vorkam, blieb die Ausnahme der Regel. Über die von Rönne-These, dass in ihrer Heimat kulturell nix geboten sei, wurde tags darauf im Café Festung diskutiert: 

Traunstein vs  Kultur?


Sie schaffen Kultur in der Bierstadt Traunstein
Moderiert von Christian Latzlsperger diskutierten lokale Künstler mit Publikum und Oberbürgermeister - dieses Jahr in den Argumenten angepasster Wirtshausatmosphäre. So berichtete Meike K. Fehrmann von den Aktionen der Chiemgau-Autoren, die so viele waren, dass sie vom Moderator eingebremst werden musste. Judith Bader wollte diskutieren, was Kunst eigentlich ist.  Nur die Teilnehmer hatten keine Lust darauf. Und bis auf die Schlagworte "Form und Inhalt" blieb dieser Punkt offen. Fricko Friese lobte die Kulturschaffenden die mit oder ohne Widerstand ihrer Gemeinde Konzerte veranstalten und Bürgermeister Kegel sinnierte, wie hoch der Kulturetat Traunsteins eigentlich ist. Vierstellig? Oder doch fünfstellig?  War ja egal, denn Kultur sollte in erster Linie ja erstmal ehrenamtlich geschaffen werden, so der Tenor der Politikverantwortlichen.
Einer der Autoren der es zu gut mit dem Publikum meinte
Genau das taten die rührigen Damen und Herren der Chiemgau - Autoren am Donnerstag. Im bis auf den letzten Platz vollbestuhlten Nuts boten sie ein bombastisches Programm: Sechs Autoren lasen Texte vor, die zuvor auf der Rabenmoosalm entstanden waren. Und damit den wenigen Zuhörern zur Belohnung ordentlich was geboten wurde und um all die, die zu Hause geblieben waren zu ärgern, richtig was verpasst zu haben, legte jeder einzelne der Autoren eine gewaltige Schippe auf das ursprünglich geplante Programm obendrauf. Gratis! Nur fünfzehn Minuten lesen? Das schien den Autoren zu wenig und man überbot sich gegenseitig, entweder noch längere Texte vorzutragen, oder noch epischer darüber zu referieren, wie der Text entstanden ist . Denn jeder einzelne Zuhörer sollte bis zum Ende dieses ereignisreichen Abends kapiert haben, "Wie Literatur entsteht"
Diese epische Überwältigungsstrategie ging völlig auf,  Knausgard hätte es nicht besser machen können und selbst Frau Bader hätte nach diesem herausfordernden Abend eingestehen müssen: Ja, das ist große Kunst! Noch spannender aber ist die Frage, was wohl Frau von Rönne zu den ehrenamtlichen Kulturbemühungen ihrer alten Heimat geschrieben hätte, wäre sie dabei gewesen. Leider verließ sie, die Meisterin der ironischen Ironie den Chiemgau bereits Tags zuvor und verabschiedete sich auf instagram standesgemäß mit einem zünftigen "Fuck You Bavaria"


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