Donnerstag, 15. März 2018

Auf den Spuren von Wolfgang Herrndorf in Nürnberg

Wolfgang Herrndorf hat in Nürnberg Kunst studiert

Seit der Lektüre von Wolfgang Herrndorfs "Arbeit und Struktur" hat auch die Stadt Nürnberg für mich eine neue Bedeutung gewonnen. Als ich das letzte Mal durch die Altstadt flanierte, hatte ich Tschick bereits gelesen. Wolfgang Herrndorf lebte damals noch. Viel wusste ich noch nicht über ihn. Sechs Jahre kenne ich Arbeit und Struktur fast auswendig und ich suche selbst mit der Lupe nach den wenig bekannten Spuren der Biographie von Wolfgang Herrndorf. Das meiste was aus seinem Leben bekannt ist, hat er selbst in seinem Blog "Arbeit und Struktur" preisgegeben.
In Nürnberg hat er sich damals als 18-jähriger zum Studium eingeschrieben. Es heißt, er wählte Nürnberg, weil die Universität als besonders konservativ galt. Herrndorf interessierte sich vor allem für die alten Meister und hoffte, in Nürnberg die uralten Maltechniken zu erlernen. 
Recht viel mehr ist von seiner Zeit in Nürnberg nicht bekannt. Zumindest gibt es in Arbeit und Struktur einen kleinen Hinweis, wo er gewohnt hat: Im Eintrag vom 21. September schreibt er, von seiner Wohnung am Westtor in Nürnberg geträumt zu haben. 
Also ein guter Startpunkt, um eine Wolfgang-Herrndorf Exkursion durch Nürnberg zu starten. 
Blick vom malerische Kettensteg unweit des Westtors in Nürnberg
Das Westtor allerdings ist kein real existierendes Tor, sondern, wie sich herausstellt, eine Straße und wohl das Viertel an dem sich das alte Westtor in der Nürnberger Stadtmauer befunden hat. Eine lärmende Straße die um die mittelalterliche Stadtgrenze entlang führt. Einige unauffällige Altbauwohnungen. Dann eine Wohnungszeile mitten in der historischen Stadtmauer. Ob Herrndorf dort gewohnt hat? Nicht weit vom Westtor jedenfalls befindet sich der Kettensteg und das Henkershaus an der Pegnitz. Einer der malerischten und romantischten Orte von Nürnberg. Ein Ort an dem sich ein Maler und Liebhaber der alten Künste sicherlich wohlgefühlt hat. Wer es vielleicht noch wissen könnte ist Calvin S., Wolfgang Herrndorfs Freund aus der Nürnberger Zeit.
Ob die Nürnberger Buchhandlungen wissen, dass Herrndorf in ihrer Stadt lebte? Die Probe aufs Exempel in der Buchhandlung Jakob verlief ernüchternd. Den Schriftsteller Herrndorf kannte man dort natürlich. Dass Herrndorf nicht weit weg von ihrer Buchhandlung gewohnt hatte, war ihnen gänzlich unbekannt. Auch davon, dass Herrndorf auch Maler war, hatte man hier noch nichts gehört. Nürnberg hat Albrecht Dürer und Hans Sachs. Das genügt wohl. Jedenfalls wird die Nürnberger Zeit des Tschick-Autoren touristisch noch nicht ausgeschlachtet. Und so bin mal wieder ich der einzige, der durch die Gassen rund um das Westtor schlendert, die Rosenbaum Doktrin in der Tasche, und sich fragt, wo Herrndorf hier wohl gelebt hat...


Freitag, 9. März 2018

Der Osterwolf - Tradition und Brauchtum in Traunstein

Unbekanntes Brauchtum in Traunstein: Der Osterwolf


Der Osterwolf und die jährlichen Feiern zum Osterwolf haben auch im Chiemgau eine jahrhundertealte Tradition. Beim Treffen der Chiemgaublogger wurde an die tiefe Verwurzelung der Traunsteiner Bevölkerung mit der Legende des Osterwolfs erinnert. Referent und Heimatforscher Bernd Götterpflug-Dehler skizzierte humorvoll und informativ die Osterwolf-Traditionen im Chiemgau der letzten beiden Jahrtausende.
Jährlich zum Ostermontag findet einer von Bayerns berühmtesten
Osterwolf-Ritten in Ettendorf statt
Am bekanntesten ist natürlich die Legende, dass im Jahre '39 am Ostersonntag den im Hufschlager Forst spielenden Brüdern Joseph und Georg Ratzinger der Osterwolf erschienen sei. Die beiden Kindern zeigten keinerlei Furcht vor dem Wolf und der Legende nach wertete der ältere der beiden Brüder die Begegnung mit dem Osterwolf als Omen,
Naturschutzbund, Süßwarenindustrie und Tourismusverband
nutzen den Osterwolf-Glauben für ihre Zwecke
dass es seine Bestimmung sei, eines Tages Papst zu sein. Auch die zweite Weissagung, dass er als späterer Papst sein Amt niederlegen würde, an dem Tag an dem er dem Osterwolf ein zweites Mal begegnete, hat sich, wie man heute weiß, bewahrheitet: Kurz vor Zelebrieren seiner letzten Ostermesse begegnete der Papst beim Spaziergang in den vatikanischen Gärten einem Wolf.

Die Osterwolf-Verehrung hat in Traunstein eine jahrhundertelange Tradition. Jährlich zum Ostermontag wird der Osterwolf-Ritt gefeiert bei dem hunderte Reiter zu Ehren des Osterwolfes zum Ettendorfer Kircherl reiten, wo sie den Osterwolf-Segen empfangen. Bereits aus keltischer Zeit konnte dort oben auf dem Ettendorfer Hügel eine kultische Wolfs-Verehrung nachgewiesen werden.

Auch wenn in heutiger Zeit die Osterwolfs-Verehrung den Ruf hat, sie sei eine reine Image-Kampagne der Naturschutz-Lobby, die dem Wolf ein besseres Image verschaffen will, so liegt die Verehrung des Osterwolfs deutlich tiefer im regionalen Volksglauben verankert. Natürlich weiß man heute, dass der Wolf nur ein aus heidnischer Zeit stammendes Symbol für das Osterwunder ist, dennoch ist der Glaube an den Osterwolf ein fester Bestandteil des Chiemgauer Volksglaubens und die Segnung der gebackenen Osterwölfe eine beliebte Tradition.
In seinem Vortrag sparte Bernd Götterpflug-Dehler, der Autor von Sachbüchern wie "Wandern mit Hund auf Chiemgauer Osterwolf-Pfaden"  natürlich auch die Schattenseiten der Osterwolf-Verehrung nicht aus. Heute erinnert nur noch wenig an das historische Symbol des Osterwolfs. Vor allem die Süßwarenindustrie  hat sich die Osterwolf Tradition profan zu eigen gemacht und übertrifft sich Jahr für Jahr mehr in der Kommerzialisierung des Osterwolfes. Da kann sich auch die Stadt Traunstein nicht ausnehmen, die das Osterwolf-Bier und die Osterwolf-Fastenbrezen bereits seit Jahren zu einer erfolgreichen Marke beworben hat. Auch die viermal im Jahr stattfindenden Osterwolf-Spaziergänge nach Ettendorf sind ein fester Bestandteil der Traunsteiner Osterwolf-Vermarktung. Bernd Götterplfug-Dehlers Appell, die Bevölkerung wieder mehr für die wahren Wurzeln der Osterwolf-Tradition zu sensibilisieren, stieß bei den anwesenden Chiemgabloggern deshalb auf fruchtbaren Boden. Man einigte sich, dass man sich möglichst bald die Domain www.osterwolf.de oder zumindest www.osterwolf-shop.de sichern wolle und man dafür sorgen werde, dass der Hashtag #osterwolf auf Twitter und Instagram trenden wird. Notfalls wolle man dazu eine völlig frei erfundene Traunsteiner Osterwolf-Legende im Internet platzieren. Irgendjemand wird den Schmarrn schon glauben.

Sonntag, 4. März 2018

Wolfgang Herrndorf - Vom Maler zum Schriftsteller

Wolfgang Herrndorfs Wandlung vom Maler zum Schriftsteller


Inzwischen bei der Sekundärliteratur zu
Wolfgang Herrndorf angekommen
Wie waren Wolfgang Herrndorfs erste Jahre als Schriftsteller? Warum hat er seine Tätigkeit als Maler aufgegeben und sich dem Schreiben zugewandt? Bei meiner Recherche bin ich auf ein hochinteressantes Buch von Jörn Morisse und Rasmus Engler gestoßen: "Wovon lebst du eigentlich?" Beschäftigt man sich mit Wolfgang Herrndorfs Netzwerk, dann ist Jörn Morisse kein Unbekannter: Er ist Mitbegründer der "Zentralen Intelligenz Agentur", der auch Wolfgang Herrndorf angehörte.
In "Wovon lebst Du eigentlich?" sprechen mehr oder weniger bekannte Künstler aus den verschiedensten Bereichen darüber, wie sie sich über Wasser halten. Darunter Benjamin Quabeck, dessen "Nichts bereuen" einer meiner Lieblingsfilme war. Auch die Musikerin und Schriftstellerin Almut Klotz kommt zu Wort. Sie starb kurz vor Herrndorf. "Almut" war auch das letzte Wort in Herrndorfs Blog "Arbeit und Struktur". 
In einem Interview, das ca. 2007 geführt wurde, berichtet Wolfgang Herrndorf von seinem Leben als Schriftsteller. Der Zeitpunkt ist interessant, da er als Autor von bis dahin zwei Büchern (In Plüschgewittern, Diesseits des Van-Allen-Gürtels) zwar in der Szene einen Namen hatte, er insgesamt aber ein weitgehend unbekannter Schriftsteller war.
Herrndorf berichtet, dass er zuvor als Maler gar nicht so schlecht verdient hätte. Auch wenn er schon damals sehr bescheiden und teils unter dem Existenzminimum lebte. Warum er das Malen dennoch zugunsten der Schriftstellerei aufgegeben hat, wird er gefragt. Herrndorf gibt an, dass er auch ohne Lohn schreiben würde - es hat sich also zu einer Leidenschaft entwickelt. Der spannendere Aspekt - den man als Nicht-Maler nicht unbedingt auf dem Schirm hat, ist allerdings dieser: Das Malen, so Herrndorf, sei körperlich und seelisch ungemein anstrengend. Das Schreiben nur seelisch. Es war also auch die seinem äußerst aufwändigen Malstil geschuldete körperlich schwere Arbeit, die ihn weg von der Malerei hin zum Schreiben geführt hatte. 
Herrndorf selbst beschreibt sein damaliges Leben so, dass er nicht in Urlaub fährt, keine Kleidung kauft. Lange hatte er nicht einmal Dusche, Kühlschrank, Telefon. 
Heute ein moderner Klassiker in den Schul-
bibliotheken: Tschick
Im Interview erwähnt Herrndorf, dass er noch drei Manukripte in der Schublade hätte. Dabei wird "Sand" kurz umschrieben. Das zweite dürfte "Tschick" gewesen sein. Herrndorf-Fans werden nun rätseln: Was zum Teufel war das dritte Manuskript? Herrndorf selbst erwähnt in "Arbeit und Struktur", dass er an einem "Stimmen-Roman" geschrieben hatte. Stimmen - das war sein Online-Name bei den Höflichen Paparazzi. Was aus dem Manuskript wohl geworden ist? In der Badewanne vernichtet? Liegt es längst im Literaturarchiv Marbach? Ob wir es je erfahren werden?
Eine fast prophetische, damals aber noch gänzlich undenkbare Vorschau auf das Kommende wird das Interview, als beide davon schwadronieren, Herrndorf müsste ganz einfach ein Klassiker werden. Herrndorf selbst meint, ein Bestseller würde ihm völlig ausreichen. Er spekulierte noch, dass "Sand" sein großer Durchbruch werden müsste. Natürlich ironisch-augenzwinkernd. Gleichzeitig gewinnt das Interview eine traurige Note in dem Wissen, dass Tschick nicht nur ein Bestseller wurde, sondern heute als moderner Klassiker gilt und in Schulen landauf landab gelesen wird. Für Heerrndorf selbst geriet der überraschende Erfolg zur Nebensache, da er bei der Veröffentlichung von Tschick bereits am Gehirntumor erkrankt war.
Zuletzt wird Herrndorf gefragt, ob er sich (außer einer Frau - die er ja dann auch gefunden hat) noch etwas wünscht. Seine Antwort: Eine Wohnung mit Aussicht. Zumindest dieser Wunsch ist am Ende also dann noch in Erfüllung gegangen.